Verwachsungen – Mensch und Maschine
Der
Philosoph und Mediziner Joachim Bodamer hat bereits in einem Aufsatz aus dem
Jahre 1960 eine treffliche Analyse der menschlichen Verfassung in den
westlichen Zivilisationen des 21. Jahrhunderts geliefert.
„Unsere
Untersuchung geht davon aus, dass der heutige Mensch nicht allein in einer
vollkommen von der Technik bestimmten Umwelt lebt, sondern als „Person“ nicht
weniger technisiert ist, das heißt, in seinem Verhalten, seinen seelischen
Vollzügen, seinem Handeln und in der ganzen Art seiner Weltbewältigung sich der
technischen Funktionalität angepasst hat. Seine Daseinsform ist keine „natürliche“
mehr, weil Technik und industrielle Zivilisation Daseinsbedingungen geschaffen
haben, die der Konstitution des Menschen entgegengesetzt sind, wobei diese
Gegensätzlichkeit durch neue technische Einfälle immer wieder ausgeglichen
werden muss.
Da
diese Welt ein künstliches und „sekundäres“ System ist, in deren Mittelpunkt
primär die Maschine steht, befindet sie sich dauernd in einem Zustand der
Labilität und Unruhe, zwingt den Menschen zu gewaltigen Sicherungsmaßnahmen und
wächst doch, aufgrund eines undurchschaubaren Gesetzes, andauernd über ihn
hinaus. Die Anstrengung, diesen permanenten Vorsprung der technischen
Entwicklung immer wieder einzuholen und neuen Lagen gerecht zu werden, prägt
die Gesichter und Seelen in der technischen Welt. Sie sind nur dann mit sich in
Übereinstimmung, wenn ihnen die Anpassung so vollkommen gelingt, dass eine Identifikation
zwischen Mensch und technischem Gebilde zustande kommt. Der Mensch und seine
Maschine werden dann eine neue anthropo-technische Einheit. Ob der Mensch für
das technische Mittel da ist oder dieses für ihn, ist nicht mehr unterscheidbar
und die Frage zu stellen, wie weit er zum Zweck seiner eigenen Mittel geworden
ist, wird überflüssig.
Sobald
aber diese Verschmelzung von Mensch und Maschine im weitesten Sinne nicht mehr
gelingt, sei es, dass Suprageschwindigkeiten die menschliche Konstitution zu
zerbrechen drohen, oder dass die technischen Gebilde als Ganzes unüberschaubar
werden, wie etwa bei den elektronischen Rechenmaschinen, mit denen sich das
übergeordnete Gehirn der Technik zu bilden scheint, da entsteht eine
spezifische Angst in der Massenseele, diese Angst der absolut hilflosen
Abhängigkeit, die sich in zahllosen Reaktionen Luft verschafft.“
copyright Foto: Detlef Rapp