Dienstag, 11. November 2014

Konzentrierte Momente

Veränderung versus Beharrlichkeit

Die Metropolen der westlichen Welt erleben seit geraumer Zeit das Phänomen der Gentrifizierung. Gewachsene Viertel, vorzugsweise mit einer traditionellen Mischung aus Wohnen und Arbeiten, werden von den „modern urbans“ erobert, Preisgefüge brechen, in Folge findet Verdrängung statt – Orte verändern sich.

Auf Mallorca wird dieser Prozeß in der Inselhauptstadt Palma von einer besonderen Komponente begleitet. Aufgrund der ökonomischen Krise gibt es weniger landeseigenes Personal der „modern urbans“, diese werden jedoch ersetzt durch Fremde, die aus den ökonomisch aktuell noch besser funktionierenden Ländern des Nordens hier ein Kurzzeitdomizil suchen.


Die Mallorquiner haben seit den Phöniziern ihre eigene Art in der Begegnung mit dem Fremden entwickelt, eine Art historische Routine, die im Wesentlichen aus Beharrlichkeit besteht, sich nicht gleich einlassen, auf alles was da kommt. So treffen sich des Sonntagsmorgens, während die „modern urbans“ die lange Samstagnacht wegschlafen, die Petancaspieler von Sta Catalina und gehen in konzentrierter, ruhiger Stimmung ihrer Passion nach – ungestört und beharrlich. Und es bleibt abzuwarten, ob sich dieses auch in der Begegnung mit dem neuen Fremden, dem okzidentalen Phänomen der Gentrifizierung bewährt.


















copyright: D. Rapp für www.genius-loci-fsm.com



Montag, 10. November 2014

... urban code versus gentrification - a personal video



link zum video: http://vimeo.com/111427199

… some outtaken words of the „neighboorhood rhythms”, released in 1984, additional some tempting stuff and the nostalgic feeling


... urbane Momente






copyright Fotos: D. Rapp für www.genius-loci-fsm.com


... neue Wege oder die Sache mit Jesus


… Wenn ich alleine unterwegs bin, ohne sie, fehlt mir die Orientierung. Sie weiss immer, wo wir gerade sind und hat auch eine Vorstellung, wo es hin geht, scheint den Weg zu kennen. Ich verlaufe mich. Und so ist auch dieser Moment, hier in Palma, eigentlich kenne ich mich doch aus, und habe dennoch gerade so gar keine Vorstellung wo ich jetzt bin. Lasse mir also von dem Sonnenstand helfen und entscheide mich für diese schmale Gasse dort. Hier wurde noch nicht saniert, gebrochene Gebäuderückseiten. Eine dieser Rückseiten scheint Kirche zu sein und zugleich doch nicht, Wohnraumfenster mit kleinen blauen Scheiben, niedrige Mauer mit Zaun darüber, eine Pforte geöffnet, dahinter eine Tür, offen stehend, nicht wirklich einladend, und ich gehe hinein.
Es ist eine Kirche und es ist anders. Ich gehe ein wenig herum , setze mich auf eine dieser Bänke, blicke auf den Altar, darüber die bunte Verglasung, die Geschichten erzählt. Und es ist anders. Dann fallen mir die Frauen auf, mit langen gelben Kerzen in ihren Händen, zunächst die Seitenschiffe aufsuchend, dann ein Verschwinden durch diese kleine Seitentür. So wenig vertraut mit katholischen Riten, denke ich zunächst an einen besonderen Feiertag, einen Gebetsraum hinter dieser Tür und ich sehe diesen Mann, eine Gesichtshälfte verbrannt, schwarzblutig und ich sehe einen anderen Mann, Verband um den Hals und einer, den Arm von einer Schlinge gehalten und ich gehe durch diese kleine Tür.
Ein paar Stufen hinauf und ich stehe vor Jesus. Ein Raum, eher dunkel, dabei fast gemütlich, intim. Jesus in erhöhter Position, dort am Kreuz über einer goldenen Schale schwebend, nicht dieses Tuch um die Hüften, sondern knielanger grüner Brokatrock, goldbestickt. Auf dem Kopf Dornenkrone und Strahlenkranz, darin lang herabfallendes blondes Haar. Dahinter brennen sie, die langen gelben Kerzen, ein kleines Meer von Fackeln und vor diesem Jesus, schützend eine große Glasscheibe und auf dem Boden überall frische Blumen in unterschiedlichsten Behältnissen und darin stehend eine dieser Frauen, steht dort so ganz ergriffen, geht auf Jesus zu und fasst durch einen Glasausschnitt, den ich erst jetzt bemerke, fasst nach diesem Fuss in zarter Bewegung, beginnt leicht zu weinen. Am Fuss befestigt ein kleiner leuchtender Edelstein – Stigmata – und ihre Bewegungen werden intensiver. Ich denke an meine Hand auf jener Holzskulptur, für dieses andere video, aber das hier ist wirkliche Berührung, ist echt und dann ist etwas wie Verlangen in ihrer Hand und sie kann sich kaum lösen. Sie geht völlig erschüttert, ich bleibe in diskreter Position stehen, lasse den anderen Frauen, die folgen, ihre Begegnung mit diesem Fuss und sie alle sind ergriffen, meist scheint es eher etwas wie Trost zu sein.

Ich verlasse die Kirche durch den Haupteingang, stehe in einem großen Innenhof und beim passieren des Haupttores lese ich es, das alte Hauptkrankenhaus der Stadt, direkt daran gebaut, das ehemalige Armenhaus – La Misericòrdia - von vorne imposanter Komplex. Und es war nur so, wegen dieser kleinen Tür auf der Rückseite, am Nachmittag weiß ich dann, es ist die Iglesia de la Sangre, die Blutskirche und diese Figur ist der Christus des Blutes, erschaffen im 16. Jahrhundert, hochverehrt und am Nachmittag sehe ich noch immer diese eine Hand, fordernd, fast gierig, komm endlich, nimm mich.


La Misericòrdia, Palma de Mallorca

copyright Text, Fotos D. Rapp für www.genius-loci-fsm.com



Samstag, 2. August 2014

Mallorca und die Kunst

Wohl an kaum  einem anderen ländlich geprägten Ort wird Kunst derart zelebriert. Alljährlich wird in vielen verschiedenen Dörfern die Nacht der Kunst gefeiert. Akzeptanz und Demokratisierung von Kunst – gleich ob free jazz in Sa Pobla oder der auch international bekannte Künstler der hier seine Heimat gefunden hat oder künstlerische Hausmannskost, alles findet seinen Raum und wird besucht - auch weil die in vergleichbaren urbanen Szenarien oftmals vorhandene Überheblichkeit nicht stattfindet.

ein Rundgang durch die artnit 2014, Campos

copyright Bildmaterial; H.H., D. Rapp für www.genius-loci-fsm.com


Sonntag, 27. Juli 2014

Topographien

In den 50er Jahren hat sich der französische Philosoph, Architekt und Stadtplaner Paul Virilio an der Atlantikküste die scheinbar für immer fortbestehenden Bunker erwandert. In seinen Bunkertopgraphien beschreibt Virilio die fortdauernde Existenz dieser ganz besonderen Bauwerke als Element kulturellen Gedächtnisses.

Auf Mallorca erhält diese Interpretation anlässlich der artnit 2014 eine neue Perspektive. Im Strand versackende Bunker werden in weiß getaucht und erhalten poetische Textzeilen. Zwischen Sa Rapita und Colonia Sant Jordi kann man sich so den Text „cala gentil“ des mallorquinischen Dichters Miquel Costa i Llobera erwandern.




copyright Fotos: D. Rapp für www.genius-loci-fsm.com


Mittwoch, 16. Juli 2014

Der besondere Ort

mit dem Projekt Feng-Shui-Mediterraneo unterwegs auf Mallorca





copyright Bildmaterial: D. Rapp für www.genius-loci-fsm.com


Dienstag, 17. Juni 2014

SehWeisen - oder der Verlust des Binokularen

Nach der akustischen Abschottung von der Umwelt mittels Kopfhörern folgt die Gewöhnung an die omnipräsenten Kleinstmonitore. Diese Gewöhnung bedeutet eine Fokussierung des Sichtfeldes bei gleichzeitigem Verlust der Wahrnehmung von Bildrändern 

Ohne Bildränder verliert sich die Wahrnehmung des Gesamtbildes, Umgebung wird anders erfasst - doch nur das Gesamtbild gibt unseren Handlungen im realen Raum ihre volle Ausformung.

Schaulust - hier jedoch als optisches Diktat der vorbereiteten Nachricht - ersetzt den eigenen Blick und bedeutet den Verzicht auf das natürliche Relief der Perspektive im Realraum - es entsteht Distanz zu Raum und Ort, eine Distanz, die es so bislang nicht gab.


copyright Foto: D. Rapp für www.genius-loci-fsm.com


Dienstag, 18. Februar 2014


Der Sinn des Lebens

In der Betrachtung der Frage nach dem Sinn des Lebens wird diese oftmals überlagert von Zweckhaftigkeit, gerichtetem Denken wie „ich möchte einen ausfüllenden Beruf ausüben, … in einem schönen Haus leben“ oder ähnlichem.

Im ursprünglichen ist der Begriff Sinn jedoch eher geprägt von gänzlich Immateriellem, von Atmosphäre und Stimmungen (sentire – empfinden, wahrnehmen) – ungerichtet und nicht zweckorientiert, vor allem Sinnlichkeit also.  Parallel zu der etymologischen Geschichte hat sich hier ein Wertewandel eingestellt – Sinn steckt heute auch zum Beispiel in Uhrzeigersinn, hat also eine Richtung erhalten, die in Zweckhaftigkeit und Absicht führt. In der ursprünglichen Bedeutung jedoch steckt die gleichfalls das asiatische Denken prägende Freiheit von der Richtung, von Ziel und Zweck.




Auf Mallorca geht die jährliche Mandelblüte zu Ende. In manchen Jahren blühen die Bäume hier und da über einen längeren Zeitraum verteilt, in diesem Jahr hat uns die Natur dieses Schauspiel in konzentrierter Gleichzeitigkeit geboten – Freude am Sein, es ist so wie es ist, ohne Zweck und Absicht.
Copyright Fotos: D. Rapp für www.feng-shui-mediterraneo.com

Sonntag, 2. Februar 2014


Baukunst
„… Ich wäre glücklich, zu erfahren, wo sonst man zwei Kreise wie diese finden könnte, die einander derart gegenüber liegen, dass ihr funkelndes Buntglas in seinen kostbaren Farben derart miteinander kommuniziert …“

Das Rosenfenster, in Kreisform gegossene Symbolik für alles Geistige und die Unendlichkeit ist eine der kostbarsten Schöpfungen gotischer Baukunst. In der Kathedrale von Palma wird jeweils am 02.02. (Fiesta de la Candelaria) und 11.11. (Fiesta de San Martin) dank der einfallenden Sonne ein besonderer Lichteffekt gefeiert, das „Schauspiel der Acht“. Auf eindrucksvolle Weise zeigen die 61 Kirchenfenster und 5 Rosenfenster, warum auch von der Kathedrale des Lichts gesprochen wird – Erstaunen über das Wissen der Alten.









En el interior del templo, los dias en que luce el sol, la proyección del rosetón mayor se posa justo debajo del rosetón de la fachada principal, lo que da lugar a lo que se viene llamado “el espectáculo del ocho” (siempre el 02. de febrero y el 11. de noviembre a partir de las 8:00)

copyright Fotos: D. Rapp für www.genius-loci-fsm.com


Sonntag, 12. Januar 2014

Abwesen

Gebäude werden regelhaft für einen bestimmten Zweck, für eine belebte Nutzung errichtet. Die Erfüllung dieser Belebung wird prägend.

Ist dieser Ort dann von seinem Zweck entbunden, verlassen, sei es vorübergehend oder dauerhaft, ist menschliches Leben abwesend, entwickelt sich eine eigene Stimmung. In diesem Moment der Abwesenheit menschlichen Lebens zeigt der Ort eigene Qualität, schafft Raum für Phantasie, für neue Inszenierungen.

Etymologisch leitet sich das deutsche Wort „Wesen“ her vom althochdeutschen „wesan“, das ursprünglich Verweilen an einem Ort, am Leben bleiben oder wohnen (s.a. „vàsati) bedeutet. Der Begriff Wesen im weiteren Sinne ist prägend auch in der abendländischen Metaphysik. Demgegenüber ist asiatische Philosophie und deren metaphysische Phänome geprägt vom Denken über „Abwesen“. Wer sich also dem asiatischen Verständnis von Ort und Zeit nähern will, befasst sich mit dem Verständnis dieses Abwesens. Das Abwesen ist dabei wiederum vielschichtig, nicht rein funktional oder gar starr und fixiert zu verstehen.






copyright Fotos: D. Rapp für www.genius-loci-fsm.com