Dienstag, 30. Juli 2013

Der Duft der Zeit
„… In China war bis Ende des 19. Jahrhunderts eine hsiang yin (wörtlich: Duftsiegel) genannte Weihrauch-Uhr in Gebrauch. Die Europäer hielten diese Uhr bis Mitte des 20. Jahrhunderts für ein gewöhnliches Räuchergefäß. Offensichtlich war ihnen die Idee einer Zeitmessung mit Weihrauch fremd, vielleicht die Vorstellung überhaupt, dass die Zeit die Form eines Duftes annehmen könnte.
… Der Weihrauch als Medium der Zeitmessung unterscheidet sich in vielerlei Hinsicht vom Wasser oder vom Sand – die Zeit die duftet, verfließt oder verrinnt nicht. Und nichts entleert sich, vielmehr füllt der Duft des Weihrauchs den Raum, ja er verräumlicht die Zeit, gibt dieser dadurch den Anschein einer Dauer …“
 
(aus: Der Duft der Zeit von Byung-Chul Han, siehe hierzu auch Silvio A. Bedini; the scent of time, a study of the use of fire and incense for time measurement in Oriental Countries)

 
„Weihrauchtränen“ – Olibanum, das Harz des echten Weihrauchbaumes (botanisch boswellia sacra) wurde in der Antike auch „Schweiß der Götter“ genannt, spielte in allen Kulturen eine besondere Rolle vom heiligen Räucherstoff, im Einsatz gegen böse Geister, als Aphrodisiakum, bis hin zur Verwendung als Tribut oder hochwertiges Handelsgut. Das Harz wird mittels Ritzen der Baumrinde gewonnen.
 
 

Montag, 29. Juli 2013

Feng Shui konkret – Quellenstudium und Schrift

Eine Besonderheit der chinesischen Kultur sind die zum Teil sehr weit zurückreichenden schriftlichen Überlieferungen zu verschiedenen Lebensbereichen wie auch dem Feng Shui. Seit wann genau über Feng Shui geschrieben wurde und welche Überlieferungen hier wichtig sind, wird in der Wissenschaft unterschiedlich diskutiert.

Als Westeuropäer sind wir dabei nicht nur mit einer anderen Sprache konfrontiert, sondern vor allem auch mit einem gänzlich anderen Schriftverständnis. In diesem Schriftverständnis drückt sich jedoch wiederum bereits asiatisches Wesen aus – alles ist vielschichtig, mit mehreren Bedeutungen hinterlegt. Nachdem unter Mao eine vereinfachte Schrift (vermehrt "Kurzzeichen) eingeführt wurde, finden im Zuge der aktuellen Umbrüche auch die vormaligen Langzeichen wieder verstärkt Anwendung. Auch in der chinesischen Schrift gab es natürlich Wandlungen.
Die chinesische Schriftsprache ist eine piktografische. Jedes chinesische Schriftzeichen ist einem sogenannten „Radikal“ zugeordnet. Diese „Radikale“ sind in Verbindung mit einem phonetischen Teil der Bedeutungsträger des Zeichens. Als Beispiel sei genannt ein Radikal mit 2 Strichen:

     rén   u.a. mit den Bedeutungen       - Mensch,                 
                                                                        - jeder, jemand,
                                                                        - alle,
                                                                        - Persönlichkeit, Charakter

Ist bereits ein Teil des Zeichens in seiner Bedeutung vielschichtig – mehr als 15 Bedeutungen sind möglich, wird diese noch gesteigert durch die konkrete Schreibweise, die Kalligraphie. Hier acht Kalligraphie Beispiele für das Zeichen „dong“ (u.a. Osten):

 

Sind wir keine Sinologen, so sind wir beim Studium des Feng Shui auf Übersetzungen angewiesen und müssen wissen, dass mit Blick auf diese Vielschichtigkeit jede Übersetzung zugleich Interpretation, Auslegung ist – und dieses deutlich umfassender als wir es von Übersetzungen abendländischer Texte kennen.

Um für die Feng Shui Forschungsarbeit die Glaubwürdigkeit von Texten bewerten zu können sind folgende Parameter unerlässlich:

      - Angabe der Quelle
      - Hinweis auf die Übersetzung/ den oder die Übersetzer/-in
      - Anerkenntnis der Vielschichtigkeit und Mehrdeutigkeit von Schrift und Sprache

Jede starre Behauptung oder auf eine Lösung hin orientierte Aussage ist Hinweis für Unkenntnis.

Vielleicht bereitet dieses Vorgehen gelegentlich ein wenig Mühsal, es ist in einer Zeit jedoch, in der durch das Internet die „nicht verifizierbare Nachricht“ letztendlich zu Konfusion und Desinformation führt, umso wichtiger geworden.

Copyright Foto: Detlef Rapp für www.feng-shui-mediterraneo.com 

Sonntag, 28. Juli 2013

Feng Shui konkret – rituelle Handlungen

Seit alters her begleiten rituelle Handlungen alle Kulturen dieser Welt. Das Ritual, im ursprünglichen Sinn fester, „heiliger“ und ordnender Brauch einer Religion, hat Übertragungen in unser Alltagsleben gefunden. Wir beschreiben oder erleben wiederkehrende Angewohnheiten als Rituale, von einem bestimmten Prozedere zum Tagesstart, über die Welt der Arbeit, bis in unsere erotischen Begegnungen, wir geben ihnen mit der Bezeichnung „Ritual“ entsprechendes Gewicht in unserem Leben.
Dem Ritual kommt auch im Feng Shui besondere Bedeutung zu. So wurde beispielsweise im Falle einer anstehenden Gebäudesanierung (xiu) die Richtung bestimmt, in welcher diese stattfindet (xiufang, fang, fangyu oder fangdao) – entscheidend für die Richtung war die Lage des Mittelpunktes des Hauses (zhonggong). Abhängig davon, ob die Richtung der Maßnahme als günstig oder ungünstig betrachtet wurde, ergab sich die rituelle Handlung bis hin zur vorübergehenden „Verlegung des Mittelpunktes“ (yigong).

Rituelle Handlungen sind natürlich immer und vor allem soziokulturell geprägt, das ist ihr Wesen – sie lassen sich daher selbstredend niemals eins zu eins übertragen.
Die Einweihung des Feng-Shui-Pavillon auf der Finca Can Calza wurde mit der Performance „Riten und Feste der Konfusion“ gefeiert - Ritual und Fest als Akt bewusster Vereinnahmung eines Ortes.




 
Copyright Fotos: Detlef Rapp für www.feng-shui-mediterraneo.com
 

Donnerstag, 18. Juli 2013

Wüste – der äußerste Raum
„… Gott“, sagen die Touareg, „hat ein Land voll Wasser geschaffen, auf dass die Menschen leben können, und ein Land ohne Wasser, auf dass die Menschen Durst haben, und eine Wüste: ein Land mit und ohne Wasser, auf dass die Menschen ihre Seele finden …“
 
Wüsten, Dürrezonen dieser Erde, einer bis an äußerste Grenzen getriebenen Natur waren es, aus denen die großen monotheistischen Religionen und alle bedeutenden Kulturen des Altertums hervorgingen. Aus Wüsten ist schließlich auch die spirituelle Grundorientierung des Abendlandes erwachsen und dennoch, ein Paradoxon, finden wir den Begriff Wüste im Übertragenen auf unsere moderne Welt immer im Zusammenhang mit Leere im apathischen Sinne: Stadtwüste, Verkehrswüste, Konsumwüste ...
 
Es ist Ausdruck eines jener Mißverständnisse dieser Zeit, Ausdruck kollektiven Nichtverstehens von Naturräumen - ist die Wüste doch das ganze Gegenteil, ist Raum des Schweigens und Auswehens über den Horizont, in stetem Wechsel der Farben und mit den Erzählungen von Weite oder gar Unendlichkeit, Grenzerfahrung, die in Frage stellt und zugleich wach macht für alles Kommen und Geschehen.
 


 
Copyright Fotos: Florian Renner "a bolivian journey"
 

Donnerstag, 11. Juli 2013

Schattenspiele - sombras chinescas
workshop-Pavillon des Projektes Feng Shui Mediterraneo (Finca Can Calza)

Erst wenn sich an einem Ort ein Pavillon befindet, kann man ihn als Garten bezeichnen - so hieß es im alten China. Dem Nutzer ruft der Pavillon (ting) eine Vielzahl an Assoziationen in den Sinn. Der Ting "borgt die Landschaft", weil er ihr Rahmen und Fokus liefert und gilt in der Gartengestaltung zugleich als Symbol für den Ort des Menschen in der Ordnung der Natur.




 
Fotos: Detlef Rapp für www.feng-shui-mediterraneo.com

Dienstag, 9. Juli 2013

Feng Shui konkret – Spiegel
„… der höchste Mensch gebraucht sein Herz wie einen Spiegel. Er geht den Dingen nicht nach und geht ihnen nicht entgegen; er spiegelt sie wider, aber er hält sie nicht fest …“ ( Zhuāngzǐ莊子 / 庄子, um 365-290 v. Chr.; "Das wahre Buch vom südlichen Blütenland“ 南華眞經, Nan Hua Zhen Jing).
 
In allen Kulturen kommt dem Spiegel eine besondere Bedeutung zu – vom VoIksglauben über Religion bis in die Philosophie oder Kunst. Im buddhistischen, wie im taoistischen wird der Spiegel fast deckungsgleich als Abwesen, als Figur des Nichtfesthaltens des leeren Herzens verwendet. Bereits die Natur bietet uns Spiegelbilder, als stilles Gewässer, Luftspiegelung oder entsprechendes Material – dabei bleibt der Spiegel wie er ist – leer in sich, beruhend auf der Abwesenheit des „Ich“.
 
In der westlichen, sogenannten Feng Shui Literatur, finden sich regelmäßig schlichte Handlungsanweisungen zum Umgang mit Spiegeln, die Menschen hinsichtlich der Wirkung der Spiegel in ihrer Wohnung verunsichern. Tatsächlich sind dies regelhaft westliche Auslegungen, die dem zentralen asiatischen Motiv des Abwesens völlig entgegen stehen. Derlei Interpretationen entsprechen vor allem dem westlichen Denken des gerichteten Handelns und genügen zumeist nicht dem deutlich komplexeren asiatischen Umgang mit Symbolen.
 „… ist das Wasser still, so spiegelt es klar jedes Härchen (…) aber welch eine Spiegelung, und was ist es, was sich in ihr spiegelt ? Da ist die Erde und der Himmel, da ragen die Berge und strömen die Wasser (…) ist in all dem eine Absicht, ein Sinn oder ist nicht alles dieses eben einfach da ?...“ (Bi Yän Lu, Niederschrift von der smaragdenen Felswand)

 
Foto: Detlef Rapp für www.feng-shui-mediterraneo.com

Montag, 1. Juli 2013

Zeit oder unsere Sprache und die autosuggestive Kraft

... die Auseinandersetzung mit Feng Shui ist immer und untrennbar verbunden mit der Betrachtung von Zeit, also auch dem Moment unseres Handelns.

... wir sollten uns etwas mehr Zeit nehmen - wenn wir sie uns nehmen, entsteht jedoch leicht das Gefühl, dass sie für etwas anderes fehlt ("woher nehmen und nicht stehlen") - geben oder schenken wir uns also etwas mehr Zeit




Fotos: Detlef Rapp für www.genius-loci-fsm.com