Das Fest des
Lebens und die Türsteher
Die Bilder des „Studio 54“
sind Mythos geworden, haben überdauert als Symbol für grenzenloses Feiern. Erstmalig
jedoch wurden in einem bekannten Club Türsteher eingesetzt mit dem Ziel, eine „interessante“
Publikumsmischung zu kreieren – eine Gratwanderung.
Natürlich sei es jedem Veranstalter
überlassen, eine thematisch orientierte Party zu veranstalten an welcher
beispielsweise nur Menschen mit entsprechendem Kostüm teilnehmen dürfen. Es
herrscht aber Einvernehmen darüber, dass beispielsweise eine Veranstaltung nur
für Menschen mit weißer Hautfarbe rassistisch wäre, verboten in demokratischen
Systemen – die Kriterien des Studio 54 „schön“ oder „interessant“ waren so
gesehen sehr eindeutig Gratwanderung.
Zugangsbeschränkung und Virus, es
existiert eine immer noch gültige Verbindung. Seit 1988 bis 2010, über eine
Dauer von 22 Jahren durften HIV-Positive Ausländer die USA nicht besuchen. Das
Besuchs- und Einwanderungsverbot war Ende der 80er-Jahre ausgesprochen worden,
als etliche Länder entsprechende Maßnahmen gegen die Ausbreitung von HIV/Aids
in ihrer Bevölkerung ergriffen.
Aktuell gelten in 48 Ländern,
Territorien und Regionen der Welt immer noch bestimmte Formen von
Reisebeschränkungen, die im Zusammenhang mit HIV stehen. 18 davon verlangen in
verschiedenen Fällen der Einreise eine HIV-Testung bzw. die Offenlegung des
HIV-Status, elf weitere ergänzen das mit Einreise- bzw. Aufenthaltsverboten für
HIV-Positive; 19 Regionen weisen ausländische Erkrankte zusätzlich sogar aus.
Auch alternative Welten kennen
diese Ausgrenzung, so ist bis in die 2010er Jahre bestätigt, dass
beispielsweise für das Betreten des Ashram in Poona (Osho International
Meditation Resort) ein on-the-spot HIV-Test erforderlich war (Informationen
über 2020 liegen nicht vor)
Laut UNAIDS schützen
solche Regelungen die öffentliche Gesundheit nicht – stattdessen untergraben
sie die Bemühungen und Fortschritte im Bereich der Prävention und Behandlung.
„Für Millionen von Menschen in aller Welt, die mit HIV leben, sind das
wiederholte Verletzungen ihres Rechts auf Privatsphäre, auf Gleichberechtigung
und Gleichbehandlung; und sie sind eine ständige Erinnerung an das HIV-bezogene
Stigma“, heißt es auf der Webseite der Organisation.
Jede Stigmatisierung, jede von
außen dirigierte psychologische Präsenz einer Schwäche ist zugleich auch immer
Schwächung der physischen Widerstandskräfte der Betroffenen.
Im Zuge der Covid-19 Krise
werden analoge Maßnahmen diskutiert – von der „Gesundheits“-App bis zum
„Gesundheits“-paß – jede dieser Maßnahmen wird stigmatisieren, Gesellschaften
teilen. Der vorgeblich Resistente wird Vorteile genießen, solidarisches Handeln
wird systematisch abgebaut. In Krisenzeiten, also auch den folgenden
ökonomischen oder ökologischen Krisen lassen sich unsolidarische Gesellschaften
leichter steuern.
Aktuell liegt es also an jedem
Einzelnen, ob er durch solidarisches Handeln, also die restriktive Einhaltung
einiger weniger Regeln wie Abstand gegenüber Jedem, egal ob Freund oder
Unbekannter, durch das Tragen von Masken oder die Einhaltung von Hygienevorschriften
die Tür zum Fest des Lebens für alle öffnet, oder ob der Weg freigemacht wird für
die Türsteher, die mit ihren Apps und Pässen genau diese Tür für einige
verschließen – es könnte sein, dass die "Clubbetreiber" nicht mehr auf diese "digitalen Türsteher" verzichten wollen.
copyright Fotos: D. Rapp