Metempsychose oder Wiedergeburt als Kreislauf von Geschichte
Copyright Foto: Detlef Rapp
Der Mann ist der Passagier der Frau
„…
der Mann ist der Passagier der Frau, nicht nur bei seiner Geburt, sondern auch
in den sexuellen Beziehungen. In freier Wiedergabe eines Satzes von Samuel
Butler könnte man sagen, dass das Weibchen das Mittel ist, welches das Männchen
gefunden hat, um sich zu reproduzieren, um auf die Welt zu kommen. In diesem
Sinne ist die Frau das erste Transportmittel der Gattung, ihr erstes Fahrzeug.
Das zweite wäre das Reittier, die rätselhafte Koppelung ungleicher Körper, die
zur gemeinsamen Reise gepaart werden. Die metabolischen Fahrzeuge, ob Last-,
Reit- oder Zugtiere, könnten somit als die exemplarischen Resultate einer
verachteten Zoophilie gelten, die mit der Verwerfung der tierischen Rohheit
vergessen worden ist. In den Ursprüngen der Zähmung kommt die Frau aber noch
vor dem gezüchteten und gepflegten Tier. Sie ist die erste Form von Ökonomie,
in der sich noch vor der Sklavenhaltung und vor der Tierzucht die Bewegung
abzeichnet, die zu den Hirtengesellschaften, zu patriarchalischen, über die
Jagdzüge hinaus auf den Krieg ausgerichteten Gesellschaften führen wird.
Von
der Jagd auf das Tier um des puren Überlebens willen geht man zur Jagd auf die
Frau über, später zur Jagd auf den Mann. Die Jagd auf die Frau ist schon kein
Abschlachten, kein Töten mehr, sondern ein Einfangen eines Bestandes an
Weibchen – Schluss ist mit der Energieverschwendung, was das weibliche
Geschlecht angeht, während die Männer weiterhin getötet und verzehrt werden,
praktisch bis zur Ackerbaustufe, in der die Sklaverei offizielle Einrichtung
wird, dank der Gefangennahme von Männern.
Es
ist sinnvoll, sich diese Übertragung der Gewalt anzusehen, denn so, wie der
Krieg aus Konflikten zwischen Mitgliedern derselben Gattung und nicht aus
Zusammenstößen mit dem Tiervolk hervorgegangen ist, so vollzieht sich auch
seine Weiterentwicklung an Hand interner Kämpfe und nicht solcher gegen Fremde.
Das
Patriarchat taucht auf mit dem Einfangen von Frauen, installiert und
perfektioniert sich dann dank der Viehzucht. In dieser Ökonomie der Gewalt, die
der Hirtenstufe entspricht, geht die „belle“ der „bete“ voran – die Errichtung
des „herrschenden“ Sexes wird von der Koexistenz zweier Bestände gefördert.
Kommen
wir aber auf die Metamorphosen des Jägers zurück, so zeigt sich die Zähmung als
Abschluss und Perfektionierung des Raubes. Das Blutvergießen, das sofortige
Töten, steht im Gegensatz zum unbegrenzten Gebrauch von Gewalt, das heißt zu
ihrer Ökonomie. Wir sehen, wie vom direkten Zusammenstoß, der mit einem
Gemetzel endete, eine Evolution zunächst zur einfachen Kontrolle der Jäger über
ausgewählte Arten, über die Hütung halbwilder Herden schließlich zur Züchtung
und Vermehrung führt. Die Zähmung des Weiberviehs kommt in diesem Prozess noch
weit vor der des Tragetieres. Die Frau dient als Lasttier, wie die Herde geht
sie auf die Felder um unter Kontrolle und Überwachung des Mannes zu arbeiten.
Auf den Wanderungen, bei Zusammenstößen trägt sie das Gepäck, lange vor dem
Gebrauch des Hausesels ist sie das einzige „Transportmittel“. Indem sie das
Tragen besorgt, kann der bedürftige Jäger sich auf das „homosexuelle Duell“
spezialisieren, kann er Männerjäger, ein Krieger werden.
Die
erste Freiheit ist die Bewegungsfreiheit, die die Last-Frau dem Jagd-Mann
verschafft, aber diese Freiheit ist keine „Freizeit“, sondern eine Fähigkeit
zur Bewegung, die zu einer Fähigkeit zum Krieg wird. Als erste logistische
Stütze trägt das derart gezähmte Weibchen den Krieg, indem sie dem Jäger die
Sorge um seinen Unterhalt abnimmt. Genau wie der Eindringling das Gebiet, in
das er eingedrungen ist und das er erobert hat, so einrichtet, dass es die
Lenkbarkeit seiner Kräfte und Bewegungen fördert, so wird aus der geheirateten
und gefangenen Frau umgehend ein Transportmittel gemacht. Ihr Rücken und ihre
Hüften werden zum Modell aller Reiseausrüstungen, die gesamte Auto-Mobilität
wird von dieser Infrastruktur ausgehen, von diesem getätschelten und
geschlagenen Hinterteil, alle Wünsche nach Eroberung und Eindringen finden sich
in darin wieder … „
Paul Virilio 1978
Paul Virilio 1978
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.