Der freie Wille und geniale Sprachschöpfungen
Häufig
haben Frauen in bestimmten Schwangerschaftsphasen Verlangen nach bestimmten
Nahrungsmitteln oder Produkten. Es ist dieses eine Korrelation, derer sie sich
nicht bewusst sind – ES ist so, bei Schwangeren ist ES so, aber sie weiß nicht
warum. Der Vorgang dieses Momentes entzieht sich dem bewussten ICH, lässt sich
aber psychologisch dem von Freud so benannten ES zuordnen.
Die
klassischen Wissenschaften, wie Neurobiologie und alle anderen sind derzeit
weit entfernt von diesem ES, Big Data kommt ihm aber unaufhaltsam auf die Spur.
Gigantische Datenmengen öffnen die Tore, dieses ES lesen zu können – und das
ist das klar formulierte Ziel aller Datensammlungen.
Die
„cloud“ – wohl eine der genialsten machtpolitischen Sprachschöpfungen der
Menschheitsgeschichte: „… es ist vorbei mit jeder Theorie über menschliches
Verhalten, von der Linguistik bis zur Soziologie. Vergessen wir Taxonomie,
Ontologie und Psychologie. Wer kann schon sagen, warum die Menschen das tun,
was sie tun? Sie tun es einfach und wir können das mit beispielloser
Genauigkeit aufspüren und ausmessen. Wenn ausreichend Daten vorhanden sind,
sprechen die Zahlen für sich …“ (aus
Wired Magazine 07/2008)
Wenn
Big Data Zugang zum ES, dem unbewussten Reich unserer Handlungen und Neigungen
hat, kann von Maschinen mit den dort eingegebenen Algorithmen tief in die
menschliche Psyche eingegriffen werden. Die Verarbeitung unseres „Es“ in der
Rechenmaschine bedeutet zugleich die Materialisierung unseres Unbewussten.
Big
Data kündigt damit das Ende des freien Willens an – die digitale Rechenmaschine
kann am Ende schneller in die Psyche eingreifen und somit Handeln auslösen, als
der freie Wille, als das bewusste Ich es könnten. Rein Maschinelle Vorgänge,
denn menschliches Eingreifen ist zu langsam, zu fehlerhaft und findet nicht
mehr statt. Digitale Devotionalien wie das Smartphone oder Alexa sind aktuell
die ersten Injektionswerkzeuge dieses Aderlasses.
Im
Gegensatz zu dem erdachten Überwachungsstaat des George Orwell in seiner
negativen Auslegung, bestehend aus Folterkammer, Ministerium für Wahrheit oder
ähnlichem regiert heute das Prinzip des Positiven – nicht Mangel, sondern
Überfluss, keine Unterdrückung von Bedürfnissen, sondern permanente Anregung
werden zum Selbstdarstellungsmotiv. Tatsächlich hat die Firma Apple, mit
deutlich Orwellschem Bezug, diese Schnittstelle exakt im Jahr 1984 mit einem
Werbespot während der Super Bowl Übertragung zur Einführung des neuen Macintosh
via Bildschirm gefeiert.
Seither
zelebriert die Menschheit, dank genialer Marketingstrategien und dem Postulat
des Positiven, des vorgeblich Möglichen, eine Selbstentblößung, die bis dahin
nicht vorstellbar war. Konsumsteuerung und erste Versuche über Meinungsmache
sind das Heute, für Morgen aber steht der unmittelbare Eingriff in menschliches
Handeln auf der Agenda.
Auch
letzte fehlende Bausteine werden den Maschinisten von Big Data in den Rachen
geworfen. Bis vor kurzem noch sensibel
zu handhabende Gesundheitsdaten werden heute direkt vom Handgelenk an die
Großrechner gesendet. Und selbst der durch die gesamte Menschheitsgeschichte
hochgehaltene Schutz der Kinder fällt enthemmter Selbstentblößung zum Opfer –
kaum geboren werden Bilder und Informationen jedweder Art freiwillig und
ungefragt gesendet – eine neue Dimension, kostbarste Datenmassen aus bislang
nahezu unbekanntem menschlichen Terrain, den frühkindlichen Prägungen, welche
genau den gleichen Kindern und allen Folgenden die Chance auf den eigenen und
freien Willen rauben werden.
Wer
diese Gefahren sieht und zum bewussten Umgang mit neuen Medien aufruft, wird
mit dem Totschlag-Argument „es ist ja nun mal da, ich habe nichts zu
verheimlichen, wir nutzen es doch alle, dann ist es auch egal …“ erlegt.
Natürlich ist das eine von den Maschinisten lancierte Argumentation, denn
natürlich ist Big Data am Ende nur eine Technik – und den bewussten Umgang mit
Technik kann man erforschen und sich aneignen. Die Epoche der Post Privacy will
interpretiert werden – für eine selbstbestimmte Zukunft der Kinder von heute.
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