Über eine Kultur der Abschottung und die Konzentration auf das große Ganze
Zu Beginn der „Corona Krise“
wurde im Westen mit einer gewissen Häme darüber berichtet, dass die chinesische
Führung jetzt wohl einer Bestandsprobe ausgesetzt sei, die sie vielleicht nicht
beherrschen würde. Fälschlicherweise wird seit geraumer Zeit die chinesische
Führung in einen Topf geworfen mit autokratischen Führungen wie sie von
Russland bis in die USA auferstanden sind.
Diese Fehlinterpretation, auch
sogenannter seriöser Medien, basiert auf erheblichen Wissenslücken über
chinesische Geschichte, die bereits in okzidentalen Bildungssystemen angelegt
und bis heute nicht überwunden ist.
In der Ming Dynastie
beispielsweise, einer dieser Blütezeiten chinesischer Kultur, lebte dort bereits ein Drittel aller die Erde bevölkernden Menschen.
Im 15. Jahrhundert verfügte
China für eine kurze Epoche über eine Schiffsflotte mit den größten jemals
gebauten Holzschiffen. Diese Flotte bewegte sich auch nach Westen, bis Afrika,
ohne jedoch militärisch expansiv zu werden – es ging wie heute um neue
Handelswege, so wie China heute weltweit Infrastrukturen aufbaut und damit eine ganz andere Akzeptanz erwirbt als der Westen mit seinen weiterhin kolonial geprägten Mitteln.
China versteht sich seit
Jahrtausenden als das Reich der Mitte, expansives Denken findet nicht statt und
so ist folgerichtig auch Abschottung seit alters her ein wichtiges Prinzip und
die chinesische Mauer ihr Bauwerk gewordenes Symbol. Die Kenntnis über dieses
Prinzip hat sich aktuell als hilfreich erwiesen.
Wesentlicher Unterschied zu
okzidentalem Denken ist jedoch der Blick auf das Ganze. Die gesamte Bevölkerung
und eben auch chinesische Führer sind immer schon vor allem Anderen dem
Wohlergehen des großen Ganzen verpflichtet, das ist das entscheidende
Kriterium. Zwar gab es unter den Herrschenden, wie auch im kleinen privaten
diese scheinbar universellen Egoismen, am Ende aber ist das nachrangig –
autokratisches Handeln hat damit eine andere Dimension.
Zwar verfolgte die europäische Antike noch andere Ansätze, dann aber, durch alle feudalen Epochen über die Zeit der
Industrialisierung bis in die Gegenwart, war und ist das Geschehen durch die Egoismen
kleiner Gruppen geprägt – das Wohlergehen aller ist seit Jahrhunderten kein
Kriterium.
behind the window - dancer Amelia Llop, copyright Foto D. Rapp
Vom esoterisch oder spirituell
bewegten Menschen bis zur Finanzindustrie, der westliche Verkaufsslogan lautet
seit geraumer Zeit „wenn es mir gut geht, strahlt es auf alle und ist damit positiv“
– Wesentliches Erkennungsmerkmal dieser Egosysteme ist also die gleichzeitige Behauptung,
mit der Selbstbezogenheit dem Ganzen zu dienen, ein Widerspruch in sich, der
dazu führt, dass diese Systeme aktuell heiß laufen, egal ob Pandemie oder
Umweltkatastrophe oder Wirtschaftskollaps.
Einziger Ausweg bleibt damit
die Abkehr von allgegenwärtigen Egosystemen, hin zu Ökosystemen – die Vorsilbe
Öko geht zurück auf das griechische oikos und beschreibt das ganze Haus, auch
Ökonomie und Ökologie haben damit dieselbe Sprachwurzel.
Obwohl die umweltschädliche
Prokopfemission der westlichen Industrieländer noch immer weit vor allen
anderen liegt, übt sich China nicht in Schuldzuweisungen, sondern setzt mit
einem im konfuzianischen begründeten Pragmatismus und radikaler Geschwindigkeit
neue Umwelttechnologien in die Praxis um – autoritäres Handeln im Interesse des
Ganzen, im Westen dagegen darf jeder gegen die Geräusche einer Windkraftanlage
klagen und damit sein Ego über das Ganze stellen.
Gerade linke oder
hedonistische Kultur erfährt seit „Fridays for future“ und jetzt durch die
Corona Problematik eine schwere Grundlagenkrise. Einerseits werden in
demokratischen Wahlen Politiker gewählt, die ganz offensichtlich im
ausschließlichen Eigeninteresse Machtmißbrauch und Korruption betreiben,
andererseits zeigt China Ansätze, die Problemstellungen der Gegenwart mit
autoritären Mitteln wirkungsvoll zu bekämpfen.
Daraus darf sich für die
westlichen Egosysteme jedoch keinesfalls ergeben, diese autoritären Mittel einfach
zu übernehmen – jetzt die Coronaverfolgung per app ohne den unerlässlichen
Wertewandel zu akzeptieren würde zwangsläufig in dunkle Zeiten führen.
Sagte doch bereits Joseph
Beuys „die äußere Freiheit hat ja mit Freiheit gar nichts zu tun, denn die
Freiheit ist das Anwachsen des menschlichen Bewusstseins“. C. O. Scharmer
beschreibt diesen notwendigen Wechsel von den Egosystemen zu Ökosystemen als
ein Hineinlehnen in die Zukunft, Denken von der Zukunft her und er beschreibt ihn als Möglichkeit für den Moment
des Endes unserer überkommenen Zivilisation – vielleicht also genau jetzt.
"Frühstücksgespräche" mit Joseph Beuys im Jahr 1985: https://www.youtube.com/watch?v=61L8dPOc9Jw
"Frühstücksgespräche" mit Joseph Beuys im Jahr 1985: https://www.youtube.com/watch?v=61L8dPOc9Jw
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.